• 20. Januar 2012

Pablo Thiam über den Afrika-Cup

Pablo Thiam über den Afrika-Cup

Pablo Thiam über den Afrika-Cup 150 150 Pablo Thiam

Herr Thi­am, der­zeit rollt in Äqua­to­ri­al­gui­nea und Gabun der Ball beim Afri­ka-Cup. Wie sehr begeis­tert Sie die­ses Turnier?

Pablo Thi­am: Die Freu­de ist immer sehr groß. Dadurch, dass man die afri­ka­ni­schen Spie­ler auf ihrem Hei­mat­kon­ti­nent spie­len sieht, rückt man auto­ma­tisch näher an Afri­ka her­an. Da es in vie­len Län­dern Afri­kas kei­nen gere­gel­ten Liga­be­trieb gibt, kann man durch den Afri­ka-Cup sehen, wie sich der Fuß­ball dort wei­ter­ent­wi­ckelt hat.

In Euro­pa wird dem Tur­nier nur wenig Bedeu­tung zuge­spro­chen. Wor­an liegt das?

Thi­am: Dass sich das Inter­es­se in Euro­pa in Gren­zen hält, liegt auch an der Zeit, zu der das Tur­nier statt­fin­det. Ende Janu­ar gehen in Euro­pa die Ligen wie­der los oder lau­fen wie in Eng­land naht­los wei­ter. Daher kon­zen­trie­ren sich die Euro­pä­er auf ihren eige­nen Liga­be­trieb. Hin­zu kommt die Uhr­zeit. Die Spie­le fan­den in der Ver­gan­gen­heit oft zu ungüns­ti­gen Zei­ten statt, auch das ver­min­der­te das Inter­es­se der Europäer.

Wel­chen Stel­len­wert hat der Afri­ka-Cup für die Län­der und die Spie­ler des schwar­zen Kontinentes?

Thi­am: Der Afri­ka-Cup ist gleich­zu­stel­len mit einer Euro­pa­meis­ter­schaft. So wich­tig, wie eine EM für die Euro­pä­er ist, so wich­tig ist ein Afri­ka-Cup für die Afri­ka­ner. Alle afri­ka­ni­schen Natio­nen fie­bern dem Tur­nier ent­ge­gen, ent­spre­chend hoch ist die Bedeutung.

Gibt es Beson­der­hei­ten, die man so nicht aus Euro­pa kennt?

Thi­am: Ja, die gibt es durch­aus. In den meis­ten Län­dern Afri­kas ist Fuß­ball eine Art Staats­an­ge­le­gen­heit. Nicht sel­ten wer­den die Spie­ler - bevor sie zu den Tur­nie­ren fah­ren - von den Staats­ober­häup­tern, Prä­si­den­ten oder Macht­ha­bern emp­fan­gen und noch­mal ein­ge­schwo­ren. Um die Teams in Trai­nings­la­gern vor­zu­be­rei­ten, wer­den enor­me finan­zi­el­le Mit­tel zur Ver­fü­gung gestellt. Das ist, wenn man sich die finan­zi­el­le Stär­ke des Kon­ti­nents zu Gemü­te führt, ein rie­si­ger Auf­wand und eine gro­ße Belas­tung für die Staa­ten. Die wird aber ger­ne in Kauf genom­men, um best­mög­li­che Resul­ta­te zu erzielen.

Kom­men wir zum sport­li­chen Niveau des Wett­be­werbs. Wie beur­tei­len Sie die fuß­bal­le­ri­sche Qua­li­tät der afri­ka­ni­schen Fußballnationen?

Thi­am: Das Niveau ist sehr schwan­kend. Es gibt vie­le Mann­schaf­ten in Afri­ka, die mitt­ler­wei­le mit euro­päi­schen Teams mit­hal­ten kön­nen. Das liegt aber dar­an, dass die meis­ten Spie­ler die­ser Län­der in Euro­pa spie­len und sich dadurch eine gewis­se Struk­tur ange­eig­net haben. Das, gepaart mit der afri­ka­ni­schen Ath­le­tik und dem Spiel­witz, macht die Sache so inter­es­sant. Dann gibt es aber auch Mann­schaf­ten, die weni­ge Legio­nä­re in ihren Rei­hen haben. Die sind ent­spre­chend schwä­cher und las­sen das fuß­bal­le­ri­sche Niveau dadurch pen­deln. Um es auf den Punkt zu brin­gen: Wir bewe­gen uns zwi­schen Welt­klas­se und Amateurniveau.

Wo steht der afri­ka­ni­sche Fuß­ball im Ver­gleich zum euro­päi­schen? Kön­nen die Euro­pä­er noch etwas dazulernen?

Thi­am: Der Fuß­ball in Afri­ka wird anders gespielt, als in Euro­pa. Die Afri­ka­ner sind in der Regel tech­nisch beschla­gen und kör­per­lich sehr sta­bil und robust. Dafür man­gelt es an der tak­ti­schen Aus­bil­dung. Als bes­tes Bei­spiel sind die Tor­hü­ter zu nen­nen. Sie sind sehr spiel­freu­dig, aggres­siv, sprung­stark und haben gute Refle­xe, aber das ABC des Tor­wart-Daseins haben sie nicht gelernt. Dar­aus resul­tie­ren vie­le Tor­wart­feh­ler und Para­den, die unkon­ven­tio­nell aus­se­hen. Bei Mann­schaf­ten, bei denen die Mischung aus der afri­ka­ni­schen Kul­tur und der euro­päi­schen Dis­zi­plin stimmt, stellt sich auch der Erfolg ein. Für mich ist eine Kom­bi­na­ti­on aus bei­den Spiel­wei­sen ideal.

Wel­che Teams haben die rich­ti­ge Mischung gefunden?

Thi­am: Para­de­bei­spiel ist die Elfen­bein­küs­te. Die hat einen sehr star­ken Kader mit vie­len Legio­nä­ren, die ent­spre­chend euro­pä­isch-dis­zi­pli­niert agie­ren. Das hat auch Gha­na immer sehr stark gemacht.

Führt der Weg zum Erfolg also nur über die Legionäre?

Thi­am: In der Regel ist das so. Aber es gibt auch Aus­nah­men. Die ein­zi­gen Mann­schaf­ten, die Teams aus ihren Hei­mat­li­gen zusam­men­stel­len und gleich­zei­tig stark sind, sind die Nord­afri­ka­ner. Marok­ko, Tune­si­en und Ägyp­ten haben in ihren Län­dern funk­tio­nie­ren­de Ligen. Dort spie­len Mann­schaf­ten, die sehr struk­tu­riert sind und über eine gewis­se Pro­fes­sio­na­li­tät ver­fü­gen.  Für afri­ka­ni­sche Ver­hält­nis­se ist das ein ganz hohes Niveau und spie­gelt sich auch in den afri­ka­ni­schen Ver­eins­wett­be­wer­ben wieder.

Wer sind Ihre Favo­ri­ten auf den Turniersieg?

Thi­am: Top­fa­vo­rit ist zwei­fels­oh­ne die Elfen­bein­küs­te. Sie hat den stärks­ten Kader und Spie­ler wie Didier Drog­ba oder Kolo Tou­ré, die schon ein wenig in die Jah­re gekom­men sind, wer­den alle Kräf­te mobi­li­sie­ren, um ihre Kar­rie­re doch noch mit einem Titel zu krö­nen. Beim Sene­gal bleibt abzu­war­ten, wie sta­bil das Gesamt­kon­strukt ist. Sel­bi­ges gilt für Gha­na. Marok­ko und Tune­si­en sind zwar nomi­nell nicht so stark besetzt, unter­schät­zen darf man nord­afri­ka­ni­sche Teams aber nie. 

Wer wird der gro­ße Star des Afri­ka-Cups 2012?

Thi­am: Das ist natür­lich leis­tungs­ab­hän­gig. Man muss abwar­ten, wel­che Mann­schaf­ten ins Fina­le kom­men. Da sticht dann in der Regel auch ein Spie­ler her­aus. Aber die gro­ße Per­sön­lich­keit des Tur­niers ist Didier Drog­ba. Vom Auf­tre­ten, dem Stan­ding und der sport­li­chen Klas­se, stellt er alle ande­ren in den Schat­ten. Auch wenn Yaya Tou­ré zu "Afri­kas Fuß­bal­ler des Jah­res 2011" gewählt wur­de, wird die Elfen­bein­küs­te von Drog­ba ange­führt. Er hat eine Prä­senz und Aura, die ihn ein­fach auszeichnet. 

Wie beliebt ist Drog­ba außer­halb der Elfenbeinküste?

Thi­am: Er ist ein Reprä­sen­tant Afri­kas. Man ist auf den gan­zen Kon­ti­nent sehr stolz auf ihn. Er ist über­all geschätzt und will­kom­men, das macht ihn schon zu etwas Besonderem.