• 29. Mai 2015

Interview mit mit Pablo Thiam für den Kölner Stadt-Anzeiger

Interview mit mit Pablo Thiam für den Kölner Stadt-Anzeiger

Interview mit mit Pablo Thiam für den Kölner Stadt-Anzeiger 855 1024 Pablo Thiam

Herr Thi­am, Sie haben in der Jugend für den 1. FC Köln gespielt, bei den Ama­teu­ren und schließ­lich vier Jah­re für die Pro­fis. Wel­che Rol­le spielt der FC in Ihrem Leben?

Pablo Thi­am: Es ist mein Hei­mat­ver­ein. Ich bin nach einem Jahr in der B-Jugend vom MSV Bonn zum FC gewech­selt und war dann lan­ge da. Ich habe immer noch sehr viel Kon­takt nach Köln und obwohl ich wegen der beruf­li­chen Sta­tio­nen schon lan­ge weg bin: Köln und der FC, das ist ein Stück Hei­mat für mich.

 

Wie beur­tei­len Sie die Ent­wick­lung des FC aus der Ferne?

Thi­am: Mit der Ver­pflich­tung von Alex­an­der Wehr­le und Jörg Schmadt­ke hat der FC einen Voll­tref­fer gelan­det. Dadurch ist Gelas­sen­heit und Ruhe in das tur­bu­len­te Umfeld ein­ge­kehrt. In Köln ist alles sehr emo­tio­nal und in der Ver­gan­gen­heit wur­den vie­le Ent­schei­dun­gen aus die­ser Emo­tio­na­li­tät her­aus getrof­fen. Dazu hat der FC mit Peter Stö­ger einen sach­li­chen Trai­ner, der sich nicht von sei­nem Weg abbrin­gen lässt. Die Men­schen im eher hek­ti­schen Umfeld waren, so glau­be ich, auch dank­bar dafür, dass plötz­lich Gegen­po­le da waren. Der FC kommt dank die­ser Mischung in der Außen­dar­stel­lung sehr gut rüber und hat sich durch die neue Ruhe sport­lich sta­bi­li­siert. Auch mit Leu­ten wie Vize-Prä­si­dent Toni Schu­ma­cher, der die Rol­le als Bot­schaf­ter des Ver­eins her­vor­ra­gend ein­ge­nom­men hat. Der FC macht einen grund­so­li­den und sehr ver­nünf­ti­gen Eindruck.

 

Was trau­en Sie dem Ver­ein in den nächs­ten Jah­ren zu?

Thi­am: Der FC braucht viel­leicht noch ein paar Jah­re, aber wenn alle ver­ant­wort­li­chen Per­so­nen auf der aktu­el­len Basis wei­ter­ar­bei­ten und der Ver­ein irgend­wann auch finan­zi­ell auf noch sta­bi­le­ren Füßen steht, dann wird der FC wie­der eine sehr gute Adres­se im deut­schen Fuß­ball sein. Die Rah­men­be­din­gun­gen sind mit dem Sta­di­on, den Fans und dem Geiß­bock­heim ja sehr gut. Jeder Spie­ler, der in Köln gespielt hat, sagt spä­ter, dass es eine sehr beson­de­re Zeit gewe­sen ist.

 

Wor­an erin­nern Sie sich?

Thi­am: Die Stim­mung in Köln war immer sehr spe­zi­ell. Für mich als jun­gen Spie­ler war das sehr beson­ders. Ich bin als Jun­ge schon als Fan ins Sta­di­on gegan­gen und habe das erlebt. Spä­ter dann selbst bei die­ser Atmo­sphä­re in Mün­gers­dorf auf­zu­lau­fen, war unbe­schreib­lich. Ich habe neun Jah­re in Köln ver­bracht, habe die Chan­ce bekom­men, Pro­fi zu wer­den. Ich habe einen Ver­ein ken­nen­ge­lernt, der ein­zig­ar­tig ist. Wenn man als klei­ner Jun­ge durch den Grün­gür­tel läuft, sich das Trai­ning der Pro­fis anguckt, und dann als Pro­fi auf­lau­fen darf – das war ein Traum, der wahr gewor­den ist.

 

Dabei ging es sport­lich berg­ab. Als Sie in der Jugend waren, wur­de der FC 1992 noch Vier­ter. Sechs Jah­re spä­ter haben Sie als Pro­fi den ers­ten Abstieg der Ver­eins­ge­schich­te miterlebt.

Thi­am: Stimmt, es ging kon­ti­nu­ier­lich berg­ab. Ein Jahr davor haben wir uns gera­de noch in Ros­tock geret­tet, als Hol­ger Gaiß­may­er nach mei­ner Vor­la­ge das ent­schei­den­de Tor gemacht hat, das weiß ich noch genau. Im Abstiegs­jahr wur­den wir gegen Schal­ke um einen kla­ren Hand­elf­me­ter betro­gen und für Bie­le­feld hat mit Uwe Fuchs ein Ex-Köl­ner das ent­schei­den­de Tor gegen uns gemacht – das war alles film­reif, ein Dra­ma für uns.

 

Wie waren die Tage danach? Hat­ten Sie Angst, sich in der Stadt zu zeigen?

Thi­am: Der Abstieg war ein tota­ler Schock, aber es war eine eigen­ar­ti­ge Situa­ti­on. Der Ver­ein war sofort im Umbruch. Es hieß, die sport­li­che Füh­rung und der neue Trai­ner Bernd Schus­ter woll­ten mit jedem Spie­ler ein Gespräch füh­ren. Mein Ver­trag war nur für die Ers­te Liga gül­tig. Und ich habe ein­fach nichts vom Ver­ein gehört, kein Ter­min, nicht mal ein Tele­fo­nat. Ich bin dann, wenn man so will, still, lei­se und ablö­se­frei nach Stutt­gart gewech­selt. Es gab kei­ne Ver­ab­schie­dung, gar nichts. Nach dem Abstieg war alles wie gelähmt, in der Stadt und im Ver­ein herrsch­te düs­te­re Stim­mung und nie­mand wuss­te, wie es genau weitergeht.

 

Konn­ten Sie sich vor­stel­len, mit dem FC in die Zwei­te Liga zu gehen?

Thi­am: Gute Fra­ge. Das stand irgend­wie gar nicht zur Debat­te, weil alles unklar war. Ich bin in Urlaub gefah­ren, ohne zu wis­sen, wie mei­ne Zukunft aus­sieht. Ich habe damals Patrick Wei­ser in der Bre­ta­gne besucht, habe von dort aus immer wie­der bei mei­nem Anwalt in Köln ange­ru­fen und nach­ge­fragt. Aber der FC hat sich ein­fach nicht gemel­det. Statt­des­sen haben ande­re Ver­ei­ne nach­ge­fragt, weil bekannt war, dass ich ablö­se­frei zu haben war. Und dann bin ich eben nach Stutt­gart gewechselt.

 

Und drei Jah­re spä­ter haben Sie mit dem FC Bay­ern den Welt­po­kal gewon­nen. Haben Sie sich das bei Ihrem Abschied aus Köln erträumt?

Thi­am: Nein! Als ich Köln ver­las­sen habe, war ich noch ein jun­ger Spie­ler. In Stutt­gart bin ich in eine Mann­schaft vol­ler Stars gekom­men: Sol­do, Bobic, Bala­kow, Akpo­bo­rie, Ver­la­at. Das war eine Rie­sen­trup­pe. Ich kam als jun­ger Spie­ler mit Per­spek­ti­ve, aber schon eher als Ergän­zung. Ich muss­te mich da durch­bei­ßen, das war auch eine unru­hi­ge Zeit in Stutt­gart. Aber ich habe mich zu einem gestan­de­nen Bun­des­li­ga-Spie­ler ent­wi­ckelt – und bin nach drei Jah­ren wei­ter zu den Bayern.

 

Was sind ein­ein­halb Jah­re bei den Bay­ern wert? Sie haben zwar eini­ge Spie­le gemacht, sich aber letzt­lich nicht durch­set­zen können.

Thi­am: Bei mir war bei mei­nem Abschied aus Stutt­gart die Fra­ge: Gehe ich nach Dort­mund zu Mat­thi­as Sam­mer oder eben nach Mün­chen? Ich habe auch Gesprä­che mit ita­lie­ni­schen Ver­ei­nen geführt, aber das hat mir nicht so sehr zuge­sagt, man hör­te schon damals hin und wie­der von Ras­sis­mus dort. Dann war ich schon fast in Dort­mund, aber der Ruf der Bay­ern war dann doch etwas Beson­de­res. Mein Ver­stand hat mir gesagt: Geh nach Dort­mund. Aber mein Bauch­ge­fühl war eher: Bay­ern wäre schon geil. Die ers­te Halb­se­rie in Mün­chen war für mich auch sehr posi­tiv, ich habe viel gespielt.

 

War­um ging es abwärts?

Thi­am: Wir sind nur Drit­ter gewor­den und ich habe mich lei­der zu sehr ungüns­ti­gen Momen­ten ver­letzt. Unser Trai­ner Ott­mar Hitz­feld sag­te mir dann, dass er lei­der nicht auf mich war­ten kön­ne. Weil es nicht für die Meis­ter­schaft gereicht hat, haben die Bay­ern im Som­mer eini­ge Spie­ler ver­pflich­tet, unter ande­rem Micha­el Bal­lack. Dadurch wur­de es für mich schwie­rig. Uli Hoe­neß hat sich gewünscht, dass ich blei­be, aber ich woll­te so viel wie mög­lich spie­len, des­halb bin ich im Janu­ar 2003 nach Wolfs­burg gewech­selt. Dort hat­te ich das Gefühl: Hier wird etwas auf­ge­baut, hier wer­de ich gebraucht. Und dann bin ich ein­fach nicht mehr weg­ge­gan­gen. (LACHT)

 

Jetzt sind Sie seit mehr als zwölf Jah­ren in Wolfs­burg. Wenn man so lan­ge da ist – hört man die ewi­ge Kri­tik noch? Stich­wort: VW-Werksklub.

Thi­am: Ich kann es nicht nach­voll­zie­hen. Aber wir leben eben in einer Wett­kampf­ge­sell­schaft. Man kann die Ver­ei­ne nicht mit­ein­an­der ver­glei­chen. Ich habe den FC ken­nen­ge­lernt und gese­hen, wie gro­ße Tra­di­ti­on sich sowohl posi­tiv als auch nega­tiv aus­wir­ken kann. Wolfs­burg war eine ganz ande­re Num­mer. Ein Ver­ein, der auf­stre­bend war und wach­sen woll­te. Das ist mitt­ler­wei­le gesche­hen. Man­che Erfah­run­gen muss­te der VfL ein­fach machen und dar­aus ler­nen, anders als die Mann­schaf­ten, die seit 30, 40 oder 50 Jah­ren in der Bun­des­li­ga spielen.

 

Sie waren Füh­rungs­spie­ler und Kapi­tän, mitt­ler­wei­le sind Sie sport­li­cher Lei­ter der zwei­ten Mann­schaft. Wie kön­nen wir uns die­sen Job vorstellen?

Thi­am: Ich bin für alle Belan­ge der zwei­ten Mann­schaft zustän­dig, in enger Abspra­che mit unse­rer Geschäfts­füh­rung, vor allem mit Klaus All­ofs. Zu mei­nen Auf­ga­ben gehö­ren die Kader­pla­nung, das Ver­trags­we­sen, die Pla­nung aller Abläu­fe. Ich füh­le mich sehr wohl in dem Bereich, Trai­ner möch­te ich nicht wer­den. Wir müs­sen die jun­gen Spie­ler so aus­bil­den, dass sie opti­mal vor­be­rei­tet sind für unse­re Pro­fi­mann­schaft. Wir haben iden­ti­sche Abläu­fe und ver­mit­teln genau die Wer­te, die bei unse­rer Lizenz­ab­tei­lung zählen.

 

Vie­le Ver­ei­ne wie Bay­er Lever­ku­sen haben ihre zwei­te Mann­schaft mitt­ler­wei­le abge­mel­det. Die­se Gefahr sehen Sie in Wolfs­burg also nicht?

Thi­am: Wir haben uns als Ver­ein zur zwei­ten Mann­schaft bekannt – sie ist ein sehr wich­ti­ger Teil des VfL Wolfs­burg. Jeder Ver­ein muss für sich ent­schei­den, wie er sei­ne jun­gen Leu­te aus­bil­det. Wir jeden­falls machen sehr gute Erfah­run­gen mit der zwei­ten Mannschaft.