Pablo Thiam, Leiter U23 der VfL-Fußball.Akademie, fungiert seit Februar offiziell auch als Integrationsbeauftragter des VfL Wolfsburg. Mit dieser Ernennung nimmt der VfL eine Vorreiterrolle in der Fußball-Bundesliga ein. In seiner neuen zusätzlichen Funktion wird Thiam Botschafter für das Thema Integration sein, als Hauptansprechpartner innerhalb des sportlichen Bereichs fungieren und zudem die Arbeit der Fachabteilung Corporate Social Responsibility (CSR) inhaltlich unterstützen. Wir haben uns mit Pablo Thiam zu seinem neuen Aufgabengebiet unterhalten. Im Bild oben Pablo Thiam (rechts) mit Marcel Reif (Mitglied des Kuratoriums DFL-Stiftung, links) und DFL-Geschäftsführer Christian Seifert (Mitte) beim „Berliner Abend“ der DFL Stiftung.
Pablo Thiam, das Thema Integration ist heute aktueller denn je. Was reizt Sie, sich dieser Aufgabe zu stellen?
Pablo Thiam: Aufgrund meiner Herkunft, Religion und Vita – sowohl im privaten wie auch sportlichen Bereich – wurde ich mit vielen Dingen konfrontiert. Ich lebe 40 Jahre in Deutschland, habe hier eine Karriere als Profifußballer gestartet habe und arbeite jetzt im Klub. Die gesamte Entwicklung der letzten Jahre, auch etwa im politischen Bereich, hat dazu geführt, dass in mir der Wunsch entstand, ein Stück weit etwas zurückzugeben. Daher ist das Thema Integration für mich sehr wichtig. Jetzt möchte ich die Plattform VfL und Fußball nutzen, um das Thema noch stärker in den Fokus zu rücken.
Können Sie Ihr Aufgabenfeld kurz umreißen?
Thiam: Meine Aufgaben sind vielschichtig. Zunächst einmal bin ich zuständig für die Belange von Spielern mit Migrationshintergrund und deren Begleitung während der Integrationsphase. Ich werde für alle Bereiche Ansprechpartner für Integrationsthemen sein. Ich bilde quasi die Brückenfunktion zwischen Spielern und Mitarbeitern des Klubs und möchte die Bewusstseinsbildung auf beiden Seiten vorantreiben. Wenn einmal Probleme auftreten, möchte ich vermitteln und auch das Verständnis für die deutsche Kultur erzeugen. Zudem werde ich den VfL Wolfsburg als Botschafter repräsentieren, schließlich lässt sich mit Fußball sehr viel transportieren.
Wie wollen Sie die Botschafter-Aufgabe konkret ausfüllen?
Thiam: Ich stehe als Vertreter des Klubs für das Thema Integration. Das fällt mir natürlich als authentische Person mit all meinen Erfahrungen leichter. Diese, ob positiv oder negativ, versuche ich weiterzugeben. Hauptziel ist es, am Ende des Tages ein besseres Miteinander zu gestalten.
Der VfL Wolfsburg hat mit der Schaffung der neuen Funktion eine Vorreiterrolle innerhalb der Bundesliga inne. Könnte Ihre Arbeit Synergien hervorrufen?
Thiam: Das hoffen wir natürlich sehr stark. Der DFB hat ja bereits mit Ex-Nationalspieler Cacau einen Integrationsbeauftragten installiert. Es wäre sicherlich schön, wenn jeder Profiverein in Deutschland sich ähnlich engagieren würde und Leute mobilisiert, die sich dem Thema Integration verschreiben, sodass wir noch mehr Menschen erreichen können. Der DFB ist immerhin der größte Sportfachverband der Welt – das müssen wir nutzen, um Leute aus den verschiedenen Altersstufen zu erreichen. Dass der Fußball integrative Kraft und Macht besitzt, wissen wir. Daher wäre es sehr von Vorteil, wenn sich alle Profiklubs im Lande der Sache nachhaltig verschreiben und mitmachen würden.
Das Thema Integration ist bereits seit vielen Jahren ein wichtiger Teil innerhalb der VfL-Initiative „Gemeinsam bewegen“. Gibt Ihre neue Aufgabe dem noch einmal einen zusätzlichen Schub?
Thiam: Natürlich, weil das Ganze jetzt auch ein Gesicht bekommt – aus dem Fußball kommend und mit eigenen Erfahrungen. Wir haben es auf vielen Veranstaltungen bereits erlebt, wie wichtig es ist, das persönliche Gespräch gerade mit Kindern und Jugendlichen zu suchen. Das hat eine ganz andere Wirkung, als wenn man etwas nur theoretisch vorstellt. Ein lebendiges Beispiel aus unserem Klub ist der „Lernort Stadion“ in der VfL-FußballWelt.
Gibt es schon weitere Projekte, die konkret geplant sind?
Thiam: Eine ganze Menge. Im „Willkommen im Fußball“-Bündnis treiben wir z.B. seit 2016 gemeinsam mit der Stadt Wolfsburg und dem SSV Vorsfelde Integrationsprojekte voran. Neu ist in diesem Jahr das Projekt „Play and use your chance“, über das wir Neuzugewanderten regelmäßig gezieltes Sprach-, Kompetenz- & Bewerbungstraining anbieten und so bei der Integration in den Arbeitsmarkt unterstützen. Aber auch bewährte Veranstaltungen wie das Vernetzungstreffen von Wolfsburger Sportvereinen zur Integration im Sport oder das Wolfsburger Integrationsturnier sind wichtige Projekte, um z.B. Vorurteile abzubauen.
Haben Sie bereits persönlich eigene Erfahrungen mit dem Thema „Vorurteile“ gemacht und wie kann man da entgegensteuern?
Thiam: Die eigenen negativen Erfahrungen muss man versuchen abzulegen. Ich versuche immer zu vermitteln, dass es wichtig ist, die Kommunikation zu suchen, wenn man nach Deutschland kommt. Das A und O ist die Sprache. Erst dadurch bin ich in der Lage, den Dialog zu suchen oder mich zu wehren. Daher ist es mein Rat an alle, die kommen: Lernt so schnell wie möglich die deutsche Sprache und taucht auch in die hiesige Kultur ein! Und: Geht auf die Leute zu, denn vieles passiert aus Unwissenheit und Angst. Kommunikation reißt Barrieren herunter.
Welche Kraft hat Fußball, wenn es um die richtige Integration geht?
Thiam: Das Gute im Fußball ist, dass man Integration unbewusst lebt. Wenn gespielt werden soll, braucht man zwei Mannschaften und man hat klare Regeln, nach denen man antritt. Wenn alle das Spiel genießen wollen, muss man sich an gewisse Regeln halten. Da ist die Herkunft völlig egal. Jeder hat eine Aufgabe und die muss er im Sinne seines Teams erfüllen. Das ist in der Bundesliga so, aber auch in der Kreisklasse. Dieses Beispiel versuchen wir an die Gesell- schaft weiterzugeben: Wir haben nur dann eine funktionierende Gemeinschaft, wenn alle in einem gesteckten Rahmen gewisse Grundregeln befolgen.