Der Mittelfeld- und Abwehrspieler Pablo Thiam wurde in Conakry, der Hauptstadt Guineas geboren und wuchs in Bonn auf. Mit 9 Jahren begann er beim MSV Bonn Fußball zu spielen und wechselte im Alter von 15 in die Jugendabteilung des 1. FC Kölns. Seit 1994 spielte Pablo Thiam für den 1. FC Köln in der 1. Bundesliga, 1998 wechselte er zum VfB Stuttgart, 2001 zum FC Bayern München und 2003 schließlich zum VfL Wolfsburg, wo er zum Stammspieler und Kapitän aufstieg. Als er 2008 seine aktive Fußballerkarriere beendete, hatte er in 311 Bundesligaspielen 23 Tore erzielt sowie 17 DFB-Pokal-Spiele und 8 internationale Pokaleinsätze absolviert.
Außerdem spielte Pablo Thiam von 1993 bis 2006 in der Nationalmannschaft Guineas und nahm mit dieser an den Afrikameisterschaften 1994, 1998 und 2006 teil.
Im Interview mit uns sprach Pablo Thiam offen über seine eigenen Erfahrungen mit Diskriminierung, weil „es wichtig ist, das Thema nicht für erledigt zu betrachten.“
Pablo, wurdest du persönlich schon einmal (rassistisch) diskriminiert oder beleidigt? Wie hast du in der Situation bzw. im Nachhinein reagiert? Wie hast du dich gefühlt?
Es ist noch gar nicht so lange her, dass ich bei einem Ligaspiel unserer U23 in Chemnitz belästigt worden bin. Meine Frau war den Tränen nahe. Ich selbst war fassungslos, vor allem auch, weil es sich auf der Ehrentribüne abspielte. Ich habe mich im Nachhinein bei den Verantwortlichen des Klubs beschwert. Es ist eine Mischung aus Wut, Empörung und Unverständnis, dass es Anfeindungen dieser Art immer noch gibt.
In welcher Form begegnet dir Rassismus im Alltag?
Zum Glück mittlerweile eher selten. Es ist auch so, dass ich problematische Situationen oft gar nicht direkt mit Rassismus assoziiere. Dafür lebe ich mittlerweile zu lange in Deutschland.
In welcher Form begegnet dir Rassismus in deiner Sportart?
Das Thema, das mich zuletzt beschäftigt hat, waren die Beschimpfungen durch Fans für Kevin-Prince Boateng in Italien. Dort spielt Rassismus von jeher eine große Rolle. Dies war für mich auch immer ein Grund, nicht über einen Wechsel nach Italien nachzudenken.
Gibt es oder gab es Rassismus im Fußball?
Ja, aber nicht mehr oder weniger als in anderen Bereichen auch.
Warum gibt es deiner Meinung nach Rassismus? Und was ist für dich Diskriminierung?
Rassismus ist grundsätzlich in einer gewissen Angst vor dem Unbekannten begründet. Und in dem Desinteresse, sich damit zu beschäftigen. Rassismus taucht im gesellschaftlichen Leben oft auch dort auf, wo es darum geht, Schuldige zu finden. Diskriminierung fängt dann an, wenn Menschen, egal aus welchem Grund - ob Hautfarbe, Behinderung oder Ideologie – ausgegrenzt werden.
Hat der Rassismus deiner Ansicht nach in der Gesellschaft nachgelassen oder zugenommen?
Meiner Meinung nach ist er subtiler geworden.
Dein Rat: Was können Jugendliche tun, wenn sie mit Rassismus und Diskriminierung konfrontiert sind?
Wichtig ist, dass junge Menschen mit Migrationshintergrund lernen, dass anders zu sein gleichzeitig auch eine Vielseitigkeit bedeutet. In unserer multikulturellen Gesellschaft ist das durchaus eine sehr positive Eigenschaft. Jeder sollte in einem fremden Land versuchen, sich zu integrieren, die Sprache zu lernen und die Gebräuche anzunehmen, ohne dabei aber seine Herkunft zu verleugnen. Das schafft Selbstbewusstsein.
Du hast mit Spielern aus verschiedenen Kulturen und Nationen zusammen gespielt oder hast in deiner täglichen Arbeit mit ihnen zu tun, hast du von diesen Menschen schon einmal etwas gelernt oder persönlich davon profitiert?
Grundsätzlich lerne ich von jedem Menschen, mit dem ich zu tun habe. Ich lerne ihn persönlich und seine Gewohnheiten kennen, was sehr interessant sein kann. Ich werde z.B. Spanisch lernen, da ich im Fußball mit vielen Südamerikanern zu tun habe und mir diese Sprache noch fehlt.
Ich zeige Rassismus und Diskriminierung die Rote Karte, weil...
...es wichtig ist, das Thema nicht für erledigt zu betrachten.
Sportler_innen können helfen, Vorurteile und Rassismus zu bekämpfen, weil...
...sie Gehör finden, als Vorbilder dienen und somit die Botschaft bestens transportieren können.
Vielen Dank für das Interview!